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Ein kleiner Denkanstoß, warum dieses Projekt auch in Chemnitz und anderen deutschen Städten wichtig ist.
Eigentlich war es ein ganz normaler Freitag, als ich sorglos durch die Straßen von Chemnitz lief und mein freies Studentenleben in vollen Zügen genoss. Soweit war es eigentlich wie jeden Freitag auch, nur diesmal traf ich auf einen Mann, der mein Weltbild und mein Vertrauen in die Bevölkerung von Chemnitz stark ins Wanken brachte. Es war kein großer Mann (auch wenn er mich um gut einen Kopf überragte), doch sein gebeugter Gang und sein Erscheinungsbild ließen ihn kleiner erscheinen, als er eigentlich war. Seine verlumpten Sachen rochen ein wenig und es schien, als wenn er schon lange nicht mehr gebadet hatte. Seine Augen waren flehend, fast schon hilflos auf mich gerichtet. Er hatte kaum noch Zähne im Mund und sprach nur sehr bruchhaft, obwohl er unsere Sprache sehr gut beherrschte. Er bat um 10 Euro, um nach Hause fahren zu können. Für mich als Student ist das natürlich sehr viel Geld und ich habe mir auch geschworen, Obdachlosen niemals Bargeld zu schenken, weil man nie weiß, wofür diese es ausgeben. Aber hier hatte ich wirklich enormes Mitleid. Als er dann plötzlich anfing bitterlich zu weinen, brach es mir beinahe das Herz. So eine heruntergekommene, hilflose und verzweifelte Person hatte ich mein ganzes Leben nicht gesehen. Aus dem Fernsehen kennt man manchmal solche Leute, aber dann von sehr weit weg in Amerika oder in ärmeren Ländern. Aber hier vor meiner Haustür war mir dies neu. Es schockierte mich regelrecht, aber dennoch wollte ich kein Bargeld geben. Ich besann mich auf eine alte Methode, welche ich schon häufiger genutzt hatte: Statt Bargeld spendet man Essen oder Trinken. Ich sprach daher, ob ich ihn nicht vielleicht etwas vom Bäcker holen könnte. Etwas zu trinken oder ein Brötchen. Einen Kaffee wollte er. Ich bat ihn dann mit zum Bäcker zu gehen, aber er wehrte ab und meinte, dass dürfe er nicht. Er hat dort Hausverbot. Ich wollte das kaum glauben und ging dann selbst rein, nur um dann festzustellen, dass seine Aussage stimmte. Er hatte Hausverbot. Anscheinend war er geschäftsschädigend, was ich vielleicht auch irgendwo nachvollziehen konnte. Dennoch regte es mich abermals auf, denn ich musste sofort an eine Geschichte denken, die ich aus dem Internet erfahren hatte. In manchen Ländern ist es nämlich möglich, Kaffees „aufschieben“ zu lassen. Das bedeutet, man bezahlt einen Kaffee mehr, den später ein Bedürftiger abholen kann. So gehen andere Länder mit ihren Obdachlosen um und das empfinde ich als wunderschön. Vor meiner Haustür gibt es Hausverbot. Da ich momentan nichts an der Situation ändern konnte, ließ ich mir einen Kaffee zum Mitnehmen geben und überreichte ihn den armen Mann, der sich ganz nett bedankte. Er bat immer noch um die Fahrkarten, aber diesen Wunsch konnte ich ihm leider nicht erfüllen. Vielleicht hätte ich ihm auch lieber das Ticket bezahlen sollen, aber auf den Gedanken kam ich in dieser Situation nicht. Darum soll es aber auch nicht gehen. Nach einigen Startschwierigkeiten habe ich Chemnitz als Stadt eigentlich lieb gewonnen und es schockiert mich immer wieder, wenn ich solche Fälle erlebe. In meinem Pädagogik-Studium heißt es: „Ein Land wird daran gemessen, wie es mit ihren Minderheiten umgeht“. Ein Satz, welcher auch auf kommunaler Ebene durchaus zum Tragen kommt. Obdachlose haben eh schon ein schweres Leben und auch sie kämpfen sich (meist mit Betteln und Flehen) durch. Teilweise abseits jeglicher Würde. Und das ist einfach nur erschreckend und unheimlich traurig. Letztendlich kann es jeden von uns treffen und diesen Umstand sollte man sich bewusst sein. Da es mir persönlich (auch als Student) meilenweit besser geht, bin ich bereit, denen finanziell zu helfen, die es schwerer haben als ich und hoffe, dass die Nächstenliebe (und das meine ich ohne religiösen Hintergrund) bei vielen Leuten vorhanden ist und das Chemnitz als Stadt auch ihren Teil dazu beitragen wird.