Portugiesische Schiffbrüchigen-Berichte (1552-1602). Aufgezeichnet von Augenzeugen

Portugiesische Schiffbrüchigen-Berichte 1552-1602. Aufgezeichnet von Augenzeugen , Buch, Rezensionen

Es gibt an sich nur wenige Bücher, welche man gelesen haben muss, aber dieses Buch halte ich für jeden echten Seefahrer für Pflicht. Es handelt zwar nicht um Piraten (obwohl diese im Buch auch vorkommen), aber dafür um die Schwierigkeit auf See und dem Unglück irgendwo gestrandet zu sein. Extrem beeindruckend und auch schockierend ist zu erfahren, wie hart das Leben auf See wirklich war. In unserer neumodischen Zeit romantisieren wir die alte Seefahrerzeit und obwohl wir uns alle sicherlich darüber bewusst sind, dass es wesentlich schrecklicher sein musste, könnten wir uns niemals vorstellen, wie grausam es wirklich wahr. Alleine um einmal in die Welt der Ärmsten aller Ärmsten einzutauchen lohnt sich dieses Buch. Definitive Kaufempfehlung!

 

Bewegende Geschichten

Insgesamt befinden sich acht Berichte in dem Werk, Aufzeichnungen von Seefahrern, wie sie ehrlicher und authentischer nicht sein könnten. Ihre Emotionen und Gefühle beschreiben sie teils nüchtern, teils sehr gefühlvoll und jeder Bericht beinhaltet seine eigene Tragik. Interessant ist aber vor allem, wie unterschiedlich die Personen mit dem Unglück umgegangen sind. Folgendes Zitat sei zum Beispiel erwähnt:

„Mit all diesem Unglück vor Augen begann ein junger Bursche – ein Sklave des Mitreisenden Manoel Rodrigues – aus unbändigen Jubel zu hüpfen, fröhlich griff er nach den umherliegenden Leckereien, ausgelassen sprang er in das von dem Wrackteilen gebildete Bassin, planschte drin und tauchte immer wieder, freute sich über den traurigen Anblick der anderen. Jetzt sei er frei, rief er, endlich frei, niemand schulde er etwas, und unbeschwert schwamm er wie an Lissaons Flußstrand“ (S. 272).

Interessanterweise freute sich nur dieser Sklave über seine „Freiheit“ alle anderen blieben ihren Herren treu. Teilweise auch so treu, dass sie beschlossen mit ihnen gemeinsam zurückzubleiben und zu sterben. Generell wurde aber das „Sklavenverhältnis“ wesentlich schwammiger und es gab nur ein paar Situationen, wo es wirklich drastisch ausfiel. Eines war, als alle zusammen in einer Eingeborenenhütte schlafen mussten und nicht genüg Platz war für alle. Einige Sklaven sind an diesem Tag draußen erfroren. Tragisches Schicksal.

 

Von Feigheit und Unglücken

Eine andere Stelle zeigt auf, wie die Feigheit von manchen Leuten der Gruppe schaden konnte. So gab es zum Beispiel einen Fluss zu überqueren und da kaum ein Seemann schwimmen konnte, bauten sie ein Floß. Doch die Strömung war sehr stark. So beschlossen sie, dass an jeder Ecke eine Person stehen musste und somit das Floß „ausgeglichen“ werden konnte. So fuhren sie los, aber kurz bevor sie die tiefen Stellen erreichten, sprang einer aus Angst zu ertrinken ab und floh zurück. Die anderen waren bereits zu tief herausgetrieben und starben.

Da die Geschichten einen wahren Hintergrund haben, passieren auch Dinge, die man sonst in keinem Buch lesen würde. Zum Beispiel wurde ein Admiral als sehr mutig dargestellt und kämpfte extrem tapfer, bis zu dem Moment, wo sie vom Schiff auf ein „Floß“ springen sollten, um sich zu retten. Dazu folgendes Zitat:

„Der Admiral, etwas weiter weg, wollte den Sprung auch wagen, da er jedoch kurzsichtig war, verfehlte er das Ziel, tauchte in die Tiefe, und da auf der Stelle ertrank er, dieser wackere Mann, der sein Amt so tapfer ausgeführt hatte. Die anderen voll Kummer, waren Zeugen seines Sterbens und konnten ihm nicht zur Hilfe eilen.“ (s.325)

Einfach nur extrem bewegend, wenn man bedenkt, wie tapfere Leute nur wegen eines kleinen Fehlers dahinscheiden und dann teilweise noch auf solche unwürdige Art.

 

Von Eingeborenen und Gott

Aber auch andere Dinge sind sehr interessant. Die einen Gestrandeten wurden von Eingeborenen aufgenommen und wurden dort wie Sklaven behandelt (sie saßen auf der Türschwelle und ihnen wurden Essensreste hingeworfen. Den Tag über mussten sie arbeiten usw.). Generell gab es viele barbarische Eingeborenenstämme, welche den Leuten Kleider gestohlen hatten und sie bis zum Tod quälten oder gefangen hielten. Aber es gab auch einige Stämme, die hatten ihre letzten Nahrungsmittel geteilt und zeigten doch wahre Menschlichkeit. Generell handeln die Geschichten von sehr viel Leid aber auch Hoffnung und man merkt, dass der christliche Glauben den Seefahrern zu dieser Zeit sehr viel Kraft und Mut gegeben hatten. So „überholt“ heutzutage der Glaube manchmal erscheinen mag, desto wichtiger war es zu dieser Zeit und für diese Unglücke. Wirklich reflektiert haben die Seeleute aber nie. Da gab es Schiffe, wo zig Priester und Gläubige mitgefahren sind und dennoch passierte so ein Unglück und fast alle sterben. Dennoch haben sie immer weiter gebetet und haben jedes kleine Glück Gott in die Schuhe geschoben. Teilweise auch sehr amüsant zu lesen, auch wenn der bittere Beigeschmack des Elends immer im Hinterkopf blieb. Mehr als nur einmal, empfand ich großes Mitleid mit den armen Seelen. Wie gesagt, das Elend kann man hier nicht in Worte fassen. Sowas muss man selber lesen.

Eigentlich könnte man noch so viel erzählen, den Angriff der Piraten, das wiedersehen mit Gestrandeten aus älteren Unglücken, der Vorfall eines Mitglieds, der die Eingeborenen reinlegen wollte und dann durch ein blöden Zufall wie ein Gott verehrt wurde, das Unglück eines Mannes, der zurückblieb um mit seiner Familie zu sterben, das Unglück des Schiffes, wo alle wussten, dass sie auf ein Riff fuhren, aber keiner was gegen den Steuermann unternehmen konnte, die adlige Frau, welche lieber sterben wollte, als entkleidet weiter zu ziehen und zig Geschichten mehr. Und sie alle sind wahr, authentisch und nach besten Gewissen aufgeschrieben. Das sind Geschichten die Leben und genau das macht dieses Buch so unglaublich bewegend und spannend.

 

Fazit: 10 v0n 10 Dublonen

 

Tatsächlich eins der spannendsten und lehrreichsten Bücher die ich jemals gelesen habe. Wer Seefahrtsgeschichten mag, auch mal traurige und mitfühlende Geschichten lesen kann und nicht zuletzt auch authentische und wahre Geschichten mag, der ist hier genau richtig. Vor allem zeigt sich, dass die spannendsten Geschichten das Leben schreiben. Ein Buch, welches man definitiv gelesen haben sollte!

 

Falls einer von euch das Buch auch gelesen hat, würde mich interessieren ob ihr davon genauso begeistert seid wie ich. Für mich ist es echt ein kleines Meisterwerk.

Freizeitpirat Lucius

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